Proteine werden oft als „Arbeitspferde“ unseres Körpers bezeichnet, da sie nahezu jeden biologischen Prozess steuern. Ihre Fähigkeit, mit anderen Molekülen, sogenannten Liganden, zu interagieren, ist für diese Funktionen von entscheidender Bedeutung. Das Verständnis dieser Wechselwirkungen ist der Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und zur Entschlüsselung der Geheimnisse des Lebens selbst.
Wissenschaftler suchen seit langem nach Möglichkeiten, diese Protein-Ligand-Partnerschaften effizient abzubilden. Letztes Jahr wurde eine bahnbrechende Technik namens PELSA entwickelt, die die Möglichkeit bietet, zu analysieren, wie sich die Ligandenbindung auf die Proteinstabilität im gesamten Proteom eines Organismus (aller seiner Proteine) auswirkt. Dadurch konnten Forscher erkennen, welche Teile von Proteinen stabiler werden, wenn ein Ligand bindet – ein verräterisches Zeichen für eine Interaktion.
Allerdings war die ursprüngliche PELSA-Methode äußerst langsam und mühsam und basierte auf manuellen Schritten, die die Anzahl der Proben, die Wissenschaftler analysieren konnten, begrenzten. Jetzt haben EMBL-Forscher HT-PELSA vorgestellt, eine Hochdurchsatzadaption dieses leistungsstarken Werkzeugs. Dieser Durchbruch beschleunigt die Analyse erheblich, macht sie 100-mal schneller und ermöglicht es Wissenschaftlern, Hunderte von Proben gleichzeitig zu verarbeiten.
So funktioniert HT-PELSA: Vereinfachung des Prozesses für große Ergebnisse
Stellen Sie sich das traditionelle PELSA wie das sorgfältige Sortieren einzelner Reiskörner aus einer Handvoll vor. HT-PELSA ähnelt eher der Verwendung eines Siebs – es nutzt physikalische Eigenschaften, um Proteine und ihre kleineren, ligandengebundenen Fragmente effizient zu trennen.
Anstatt sich auf Massenspektrometrie zu verlassen, um zwischen ganzen Proteinen und Trypsin-gespaltenen Peptiden (durch Enzyme erzeugte Fragmente) zu unterscheiden, nutzt HT-PELSA die natürliche wasserabweisende Natur von Proteinen. Die Technik nutzt spezielle Oberflächen, die Proteine stärker anziehen als Peptidfragmente und so einen schnellen und automatisierten Trennungsprozess ermöglichen.
Dieser optimierte Arbeitsablauf erhöht nicht nur die Effizienz, sondern öffnet auch Türen für die Untersuchung bisher anspruchsvoller Ziele: Membranproteine. Diese entscheidenden Proteine, die etwa 60 % der bekannten Wirkstoffziele ausmachen, sind notorisch schwer zu isolieren, ohne ihre Struktur zu zerstören. Durch die direkte Arbeit mit komplexen Proben können Forscher mit HT-PELSA beobachten, wie Membranproteine mit potenziellen Arzneimitteln in ihrer natürlichen Umgebung interagieren.
Neue Möglichkeiten enthüllen: Von der Wirkstoffentdeckung zur Biologie
Dieser schnellere, umfassendere Ansatz zur Proteinanalyse hat tiefgreifende Auswirkungen auf mehrere Bereiche.
- Wirkstoffentdeckung: Durch die Aufklärung, wie Liganden an bestimmte Proteine binden, kann HT-PELSA die Entwicklung gezielter Therapien beschleunigen. Dies führt zu wirksameren und sichereren Medikamenten mit weniger Nebenwirkungen.
- Grundlegende Biologie: Das Verständnis von Protein-Ligand-Wechselwirkungen liefert grundlegende Einblicke in zelluläre Prozesse, Signalwege und Krankheitsmechanismen.
„HT-PELSA öffnet wirklich die Tür für ein Verständnis der Proteinfunktion im Hochdurchsatz und beschleunigt die Arzneimittelentwicklung“, sagt Mikhail Savitski, Teamleiter am EMBL Heidelberg und leitender Autor der Studie. „Dies ist entscheidend für das Verständnis der grundlegenden Biologie, die Entdeckung von Krankheitsmechanismen und für die Entwicklung sichererer und wirksamerer Medikamente.“
Die Entwicklung von HT-PELSA stellt einen bedeutenden Fortschritt in unserer Fähigkeit dar, die komplexe Welt innerhalb von Zellen zu erforschen. Seine Geschwindigkeit, Effizienz und erweiterten Fähigkeiten versprechen, unser Verständnis der grundlegenden Prozesse des Lebens neu zu gestalten und den Weg für bahnbrechende medizinische Fortschritte zu ebnen.
